Rede an der Demo gegen Rechtsextremismus am 21.01.2024

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von Julia Rieger, im Namen von NFANT

Es gibt viele Anzeichen bei dem man den Rechtsruck hat spüren können. Ebenso viel Gründe für den Rechtsruck kann man vermuten. Wir in der Flüchtlingsarbeit spüren seit der unsäglichen Silvesternacht in Köln im Jahr 2016/2017 einen stetigen Stimmungswandel in der Gesellschaft. Aus „Wir schaffen das“ ist nach und nach ein „wir dulden das“ bis zu einem „wir wollen das nicht“ geworden.

Nach ein paar Erleichterungen für Geflüchtete verschärft nun die Asylpolitik die Bedingungen und weicht grundlegende Menschenrechte auf. Der Ruf nach „Remigration“ ist nicht nur bei den Rechten laut. – auch in der Verwaltung des BAMF und des RP, aus dem der Begriff für die Förderung der freiwilligen Rückkehr stammt, wird er offensiv angewandt. Das sieht man vor jeder Landes- und Bundestagswahl. Zu dieser Zeit werden diejenigen aufgegriffen derer man habhaft wird und schiebt sie ab:  diejenigen, die arbeiten, sich integrieren, womöglich Formfehler begangen haben oder in ihrer Anfangszeit in Bagatelldelikte gestolpert sind. In Frickenhausen wird ein Altenpfleger von der Arbeit geholt, in Unterensingen ein beliebter und kompetenter Hausmeister. In Kirchheim und überall gibt es Petitionen „xy soll nicht abgeschoben werden!“ – verzweifelte Hilferufe von aufgebrachten Bürger:innen, die durch diese Fälle einen großen Unterschied zwischen Rechtsempfinden und Rechtssystem spüren und durch die Abschiebungen aufgewacht sind . Dann ist es meist zu spät!

Dass Asyl anders verstanden kann haben uns die Welcome-center für Geflüchtete aus der Ukraine gezeigt. Wir wünschen uns eine Anpassung an die Standards der Hilfe für ukrainische Geflüchtete und nicht eine Restriktion des Asyls und der Migration.  Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und das „Rückführungsverbesserungsgesetz“ ist nichts anderes als eine massive Verschärfung des Abschiebungsrechts, die der Paritätische ungebrochen scharf als “inhumane Symbolpolitik” kritisiert.
Als im Jahr 2015 die Turnhalle auf dem Säer belegt wurde, gab es fast gleichviel Ehrenamtliche wie Geflüchtete in dieser Stadt, die eine Willkommenskultur gelebt haben. Über das reine „Helfen wollen“ sind über die Begleitung, Begegnung und Unterstützung Freundschaften entstanden. Heute, wenn NFANT oder das Integrationsbüro um Hilfe bei den Hausaufgaben, beim Deutschsprechen oder der Formularhilfe bittet, verhallen diese Hilferufe ins nichts. Es melden sich kaum Menschen, die bereit sind, aktiv in der Nürtinger Integration mitzuwirken. Es gibt immer weniger Menschen, die in dieser schnelllebigen Zeit einen langen Atem haben können oder es sich leisten, um individuelle und gesellschaftliche Krisen gemeinsam zu bewältigen. Das Nicht-Engagement führt zu Indifferenz, (es ist alles egal) und bietet Platz für rechtes Gedankengut.

Es liegt an der Gemeinschaft! Fangen wir bei uns selbst an! Wenn wir zeigen, dass wir ein buntes Nürtingen, ein buntes Deutschland sind und das super finden und daran arbeiten, dann springen auch die Medien wieder auf diesen Zug und die Politik muss sich nicht in inhumane und populistische Äußerungen versteigen, die nur den Rechten in die Karten spielen. Drehen wir die Spirale nach unten um!

Gemeinschaft und unsere freiheitliche Demokratie ist kein Produkt, sondern ein Prozess. Engagiert Euch für unsere Gemeinschaft – macht mit bei Begegnungsprojekten, Engagiert Euch für den Dialog, stellt Euch zur Wahl in Eurer Kommune – und vor allem, bleibt menschlich und empathisch! Damit wir weiterhin sagen können: NÜRTINGEN IST BUNT!